Filmkritik und Trailer: „Avengers: Infinity War“

25. April 2018 23:26 Michael Eckert Aktuelles,Film ,

Ein Film für Leute, die nach Überreizung suchen.

Das Böse wird immer mächtiger, die Herausforderungen für die Superhelden immer größer. Der vierte Teil der „Avengers“-Reihe seit 2012 vereinigt nun noch mehr Stars aus dem Marvel-Comic-Universum, um dem Mega-Schurken Thanos Einhalt zu gebieten. Ein „endloser Krieg“, der mit diesem Film keineswegs abgeschlossen ist.

Vorab ein Warnhinweis: Der folgende Text ist polemisch und könnte Fans des Genres verärgern. Eine Spoiler-Warnung dagegen kann entfallen, weil „Avengers: Infinity War“ keine Geschichte erzählt, zu der man ein Ende verraten könnte. Was wir hier sehen, ist vielmehr eine zweieinhalbstündige Abfolge von Kämpfen, in denen sich die zahlreichen Helden des Marvel-Comic-Universums abwechselnd, einzeln oder in Gruppen am übermächtigen Mega-Schurken Thanos abarbeiten. Ohne Anfang, ohne Ende. Ein permanenter Showdown, der im vorhergehenden Teil der „Avengers“-Filmreihe begann und voraussichtlich im nächsten Film 2019 nahtlos fortgeführt wird. Eine Endlos-Serie von ausufernden Prügelszenen, dem Schleudern von farbenprächtigen Lichtstrahlen, übernatürlichen Laserwaffen, dem ständigen Morphen von Körperteilen oder dem Öffnen von Fenstern in eine andere Raumzeit-Dimension. Unterbrochen werden diese Special-effects-Orgien immer mal wieder durch kurze Atempausen, in denen sich die ständig besorgt und entschlossen dreinblickenden Protagonisten kurz miteinander besprechen – in Dialogen, die vorrangig uns Zuschauern den Fortgang der Handlung erklären sollen.

Das Leben gegen den Tod

Der Name Thanos ist eine Kurzversion des altgriechischen Wortes „Thanatos“, zu Deutsch „Tod“. Die Autoren wollen uns offenbar suggerieren, dass es sich bei dem Erzschurken (diesmal versehen mit einigen Anflügen von Sentimentalität) und dem von ihm angezettelten „Infinity War“ um den ewigen Kampf zwischen dem Tod und dem Leben (verkörpert durch die Avengers) handelt. Das Comic-Genre liebt derartige Andeutungen auf grundlegende philosophische oder religiöse Themen und spielt damit dramatische Tiefe vor. Der Film würzt das flache Pathos mit einigen Momenten von Ironie. Wenn sogar die „Avengers“ selbst den Überblick über die ständig wachsende Schar ihrer Superhelden verlieren und augenzwinkernd meinen, es seien zu viele, um sich alle ihre Namen zu merken, dann ist das auch ein pointierter Hinweis an die Zuschauer, das Ganze nicht so ernst zu nehmen und sich dem Geschehen einfach hinzugeben.

Rückkehr nicht ausgeschlossen

Dabei geht es immerhin um den Bestand des Universums. Thanos (gespielt von einem digital verfremdeten und aufgemotzten Josh Brolin) will die totale Herrschaft über den kompletten Kosmos. Dafür muss er auf verschiedenen Planeten insgesamt sechs magische Steine zusammensammeln und sie ihren Hütern gewaltsam entreißen. Als Kollateralschäden bleiben zerstörte Welten, jede Menge Weltraumschrott und – auch das wird am Rande erwähnt – mehrere Trillionen tote Zivilisten zurück. Dazu auch ein paar der „Avengers“-Helden, die sich dem titanischen Tyrannen aufopfernd entgegen werfen. Als regelmäßiger Konsument der „Avengers“-Filmreihe ist man wohl daran gewöhnt, dass einige der wackeren Helden immer mal wieder ausfallen, um dann durch neue ersetzt zu werden. Auch das Wiederauferstehen scheint jederzeit möglich, denn der Film lässt mit der Logik eines Computergames jeden Tod nur wie ein vorläufiges Ausscheiden aus der gerade gespielten Runde erscheinen.

Wer beherrscht das Universum?

Die Produzenten versprechen sich von „Avengers: Infinity War“ nicht weniger als das größte Einspielergebnis der Filmgeschichte und haben nicht an den Kosten gespart. Vor der Kamera zeigt sich wieder eine beeindruckende All-Stars-Garde aus der aktuellen ersten Hollywood-Riege – darunter Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Chris Hemsworth, Tom Hiddleston, Elizabeth Olsen, Chris Evans, Gwyneth Paltrow, Mark Rufallo, Peter Dinklage, Don Cheadle und viele, viele mehr. Auch die endlos lange Mitarbeiterliste im Nachspann – die meisten dieser Leute haben mit irgendwelchen optischen Effekten zu tun – liest sich schon fast wie die Aufzählung der kompletten Mitarbeiterschaft des VW-Konzerns.
Trotz des Aufwands bleibt die Spannung mäßig, weil sich die Abläufe in Endlosschleife wiederholen: Wenn einer der Gerechtigkeits-Kämpfer geschlagen und wehrlos am Boden liegt, steht da plötzlich ein neuer bereit, der mit seiner ganz speziellen übernatürlichen Fähigkeit den Kampf weiterführt. Allerdings nicht ohne Thanos oder seinen Helfern vorher noch ein paar Worte der Missbilligung entgegen zu halten. Die „Avengers“ stellen sich dann in Kampfstellung auf, mit langsam rotierenden Armen in Abwehrhaltung, und zaubern, sofern sie nicht über ausgeklügelte Körperfunktionen verfügen, aus ihren Händen irgendwelche Lichtwaffen aus George Lucas Spezialeffekte-Fabrik Industrial Light & Magic. Die gehört ebenso wie das Marvel-Studio mittlerweile zum allumfassenden Disney-Konzern. Auch das hat etwas mit Weltherrschaft zu tun.

Action-Tempo vom Schneidetisch

Das ritualisierte Aufstellen und Posieren der Helden etwas Statisches, die Dialoge ähneln Sprechblasen aus dem Comic. Action und Geschwindigkeit entstehen vor allem aus den schnellen Schnitten, die zusammen mit den im Computer entstandenen Effekten ein Spektakel auf der Leinwand visualisieren und Rasanz simulieren. Ohne das Verdienst der Darsteller schmälern zu wollen, die bei solchen Filmen immer etwas über die körperlichen Strapazen beim Dreh zu berichten haben, bleibt doch vor allem eine Illusion von Bewegung, die Action ist digital. Der Zuschauer folgt gezwungenermaßen den sekundenkurzen optischen Reizen, die ihre Informationen wie Fotos aufs Auge abfeuern. Was man dort sieht, ist kein Film mit fließender Bewegung mehr, sondern ein überreiztes Bilderpanorama.
Auch die Handlung der „Avengers“-Reihe bemüht sich nicht um Originalität, sondern ruft in einem erzählerischem Mix aus „Herr der Ringe“ und „Star Wars“ altbekannte Standards ab und beschränkt sich darauf, ab und zu die Figuren auszutauschen wie Spieler in einer Fußballmannschaft. So bekommen wir ein perfektes Produkt aus Marvels Unterhaltungsfabrik zu sehen, das leicht zu konsumieren, aber schwer zu verdauen ist und das mit seiner seriellen Struktur ein verlässliches Suchtpotential bei seinen Anhängern anspricht. Fortsetzung folgt.  Michael Eckert

Bilder: © Marvel Studios 2018

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