Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol

07. Januar 2020 18:33 Mario Kraft Aktuelles,Geschichte,Kunst , ,

Ausstellung im Bucerius Kunst Forum geht zu Ende

Im Hamburger Bucerius Kunst Forum neigt sich die dritte und letzte Ausstellung des Jahres 2019 dem Ende zu. Präsentiert werden noch bis zum 12. Januar 2020 Werke der US-amerikanischen Kunstikonen des 20. Jahrhunderts: Andy Warhol, Walt Disney, Jackson Pollock und Norman Rockwell. Damit ist dem zentral gelegenen Ausstellungshaus ein bunter und facettenreicher Jahresabschluss gelungen, der auch in den letzten Tagen der Ausstellung einen echten Publikumsmagneten darstellt.

2019 konnte sich sehen lassen

Eingeläutet wurde das Jahr 2019 mit der hinreißenden Ausstellung „Welt im Umbruch“. Gezeigt wurden Kunst, Fotografie und Filme der 1920er Jahre. Damit wurde auch der alten Lokalität im ehemaligen Reichsbank-Gebäude am Rathausmarkt 3 ein würdiges und fulminantes Ende bereitet.

Im Sommer folgte mit der Ausstellung „Here we are today – Das Bild der Welt in Foto- & Videokunst“ die erste Ausstellung im Neubau des Bucerius Kunst Forums. Das neue Gebäude befindet sich seitdem im Alten Wall 12, ein paar Hauseingänge hinter der ehemaligen Stätte. Sehr angenehm war nun die Begehung der Exposition auf einer Etage.

Die aufwendig gestalteten Kataloge zu den vergangenen Ausstellungen sind übrigens noch im Museums-Shop zu erwerben.

Den Jahresabschluss gestaltet das Bucerius Kunst Forum, gegründet im Jahr 2002 von der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, nun mit US-amerikanischer Popart der Extraklasse. Von niedlichen und spannungsgeladenen Cartoons über detailverliebte Ölgemälde und kunterbunte Siebdrucke bis hin zu völlig non-figurativen Drippings ist hier ein hervorragendes und tiefgründiges Kaleidoskop der Kunst des 20. Jahrhunderts aus Übersee gelungen.

Durch pastellfarbene Wände sind die jeweiligen Bereiche der Ausstellung gekennzeichnet

Schneewittchen, Bambi, Micky Maus & Co. – ein spannender Blick hinter die Kulissen

Den Anfang macht auf Pastell-Grün gestrichenen Wänden der schillernde Trickfilmschöpfer Walt Disney. Die zur Schau gestellten Storyboards, Skizzen, Bewegungsstudien und Zelluloids lassen tief in die Arbeitsweise der Zeichentrick-Produktion in traditioneller Weise blicken. Es ist faszinierend zu sehen, dass die frühen Animationsfilme wie Schneewittchen nicht einfach nur zu Papier gebrachte Daumenkinos darstellten. Jedes einzelne Bild wurde aus mehreren Lagen koloriertem Zelluloid zusammengesetzt. So entstand zum einen eine plastische Tiefe, zum anderen ersparte man sich teilweise das wiederholte Zeichnen der aufwändigen Landschaften. Diese hatten eine eigene Folie, sodass die Figuren sich davor in Einzelbildern ‘bewegen‘ konnten.

Fans von „Bambi“, „Dornröschen“ oder „Susi und Strolch“ können hier in Erinnerungen schwelgen und die Bilder an der Wand werden zum Film – Kopfkino macht’s möglich.

Kunst und Kommerz – Warhol inszenierte Promis und Marken für ein breites Publikum

Auf einer zart-rosa gestrichenen Wand werden die poppigen Werke des Künstler Andy Warhols dargeboten. Seine Grafiken brachen die Grenze zwischen Kunst und Kommerz auf. Er brachte Markenwelten und Filmstars auf die Leinwand und verlieh ihnen mit knallbunten Farbflächen im Kontrast zu kräftigem Schwarz seinen ganz eigenen Stil. Dominiert wird die Ausstellung von Warhols Portraits im Siebdruckverfahren – ob namenhafte Juden des 20. Jahrhunderts, Film-Diven oder Selbstportraits. Kunst-Konservative werden wohl die Nase rümpfen bei den Darstellungen von Konservendosen, mit denen Warhol der Durchbruch gelang – herrlich schräg.

Frei von jeder Form – Jackson Pollock war Meister der abstrakten Kunst

Der Star der abstrakten Kunstszene, Jackson Pollock, hat nicht nur eine weiße Wandfläche für seine ausdrucksstarken Drip-Paintings sondern auch einen Vorführraum für einen 10-minütigen Dokumentarfilm bekommen. Die überwiegend formlosen Farbkleckse und Schlieren verlangen Kunst-Anfängern wohl am meisten Interpretationsarbeit ab. „Was soll das denn jetzt darstellen? Das kann ich doch auch!“

Schaut man Pollock jedoch in der Filmvorführung beim Arbeiten zu, wird klar, dass seine Gemälde kein reines Zufallsprodukt waren. Er hatte eine genaue Vorstellung davon, wo er die Farbe aufbringen wollte, wie er die Leinwand strukturieren wollte. Nur so erzeugte er trotz Linienchaos eine ausgewogene Leinwand, die als Spiegel seiner Gefühlswelt diente.

Norman Rockwell illustrierte den American Dream

Den vierten und vielleicht zeitintensivsten Teil der Ausstellung prägen die großformatigen Ölgemälde des US-amerikanischen Kunst-Chronisten Norman Rockwell auf himmelblauer Wand. Zum ersten Mal werden seine Werke in Deutschland ausgestellt und es ist ein wahrhaftiges Erlebnis, diese zu bestaunen. In den USA ist Rockwell eine Berühmtheit. Über mehrere Jahrzehnte illustrierte er die Cover der auflagenstärksten Zeitschrift Amerikas, The Saturday Evening Post. Dabei machte er keinen Hehl aus seinem Hang zur Idealisierung. Er malte die USA so, wie er sie sich wünschte. War er nun also Chronist oder Propagandist?

Er beweist, wie dicht diese Tätigkeiten beieinander liegen können. Denn seine Werke haben den jeweiligen Zeitgeist stets sowohl abgebildet als auch geprägt. Während seine Vorkriegswerke eine Gediegenheit, teils häusliche Geborgenheit ausstrahlen, ruft er im Krieg mit großformatigen Plakaten zum Kauf von Kriegsanleihen auf – eine glückliche Familie bekommt einen feisten Braten serviert, braucht keine Angst vor Not und Verzicht zu haben. Der Titel sagt „Ours to fight for…“. Wer kann es den damaligen Zeitzeugen verübeln, dass sie sich vor der Barbarei Nazi-Deutschlands fürchteten?

Die Bilder nach dem Krieg sprühen hingegen nur so vor Ironie und Lebensfreude. Ein hitziger Boxkampf, spielende Kinder, Kunst betrachtende Menschen – seine nahezu fotorealistischen Ölgemälde fangen zum einen Wahrheit ein, stellen Fragen an die konservativ-klassische Kunstschule und sind aber auch immer überspitzt und mit einem Extraschuss Dynamik versehen. Hier lohnt sich ein Vergleich zwischen den Gemälden und den fotografischen Vorlagen.

Eine Reise durch die Jahrzehnte – Zeitkolorit dank Zeitschriften-Titeln

Das Highlight der Rockwell-Ausstellung bilden jedoch die zahlreichen Zeitschriften-Titel der The Saturday Evening Post. Über mehrere Jahrzehnte lässt sich hier der Zeitgeist der US-amerikanischen Informationskultur nachvollziehen. Grandios!

Wer bis zum 12. Januar noch die Zeit findet, sollte sich diese Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen! Der Eintritt ist mit 9 € preiswert. Ermäßigte Tickets sind für 6 € zu haben. Das Bucerius Kunst Forum hat täglich von 11-19 Uhr geöffnet – donnerstags sogar bis 21 Uhr. Und keine Angst vor dem Zeitaufwand. Besonders eilige Kunstbetrachter können in 45 Minuten durch die Ausstellung flitzen. Für alle anderen gilt – Rausschmiss erst bei Ladenschluss. Also gucken und genießen!

Fotos: © Ulrich Perrey

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