Halilovic – langsam aufgebaut oder „weggeschont“?

20. September 2016 09:14 contrast media Fußball

Alen Halilovic vom Hamburger SV

Für das, was beim Hamburger SV passiert, fehlen einem schon nach drei Spieltagen wieder die Worte. Mit einem Punkt steht das Team bereits wieder auf einem Relegationsplatz – zugegeben in guter Gesellschaft mit anderen Traditionsmannschaften wie  Schalke 04 und Werder Bremen. Dabei wurden vor Saisonbeginn rund 32 Millionen Euro investiert – zum großen Teil von Investor Michael Kühne. Dabei finden sich „als Königstransfer“ propagierte Spieler wie Alen Halilovic auf der Bank wieder.

Die Vorfreude auf die neue Saison war bei Fans wie bei Verantwortlichen groß. Mit Luca Waldschmidt, Alen Halilovic und Douglas Santos waren hoch veranlagte Spieler gekommen, die die fußballerische Qualität verbessern sollten. Von den Neuzugängen spielt bisher nur Bobby Wood regelmäßig. Santos war im Siel gegen Leipzig dabei und wird wohl auch heute gegen Freiburg auflaufen.

Bei Halilovic und Waldschmidt dagegen bahnt sich für Fans und Beobachter des HSV wieder ein Déjà-vu an. Sie sollen langsam aufgebaut werden, erstmal die Bundesliga kennenlernen. Ashton Götz musste sich einen Rüffel abholen, weil er im HSV-Blog „Matz ab“ geäußert hat, dass Halilovic frustiert sei.

Man fragt sich, welche Strategie hinter der Maßnahme steckt, mit jungen Talenten arbeiten zu wollen, wenn man ihnen nichts zutraut? Die Liste von Spielern, denen beim HSV nicht der große Sprung zugetraut wurde, ist lang. Das jüngste Beispiel ist vielleicht Jonathan Tah. Daran, dass ihm auf der Innenverteidiger-Position die Zukunft gehört, zweifelt eigentlich niemand. Aber in einer schwierigen Situation baute Trainer Mirko Slomka eher auf erfahrene Spieler. Tah wurde verliehen und ist inzwischen bei Champions League Teilnehmer Leverkusen unumstritten. Vor der Saison bestand bereits Kerem Demirbay, der nach zwei Jahren Ausleihe in Kaiserslautern und Düsseldorf zu einem der besten Zweitliga-Spieler gereift ist, auf einen Wechsel nach Hoffenheim. Selbst der Enkel von HSV-Urgestein Uwe Seeler, Levin Ötztunali hat bessere Entwicklungsmöglichkeiten bei anderen Vereinen gesehen. Nach einem Wechsel nch Leverkusen und einer Ausleihe an Werder Bremen, ist er inzwischen Stammkraft bei Mainz.

Warum flüchten junge Talente immer wieder zu anderen Teams? Natürlich müssen junge Spieler langsam aufgebaut werden. Ist das aber von der Bank aus möglich? Eine Stammplatz-Garantie kann heute kein Trainer mehr geben. Entscheidend ist wohl die Tatsache, ob ein Spieler die Wertschätzung des Vereins spürt. Das ist nur über Vertrauen und kontinuierliche Kommunikation möglich. Mangelt es beim HSV durch fehlende Kontinuität und ein schlüssiges Gesamtkonzept genau daran?

Wenn man auf solche Spieler setzt, müssen sie auch Erfahrungen sammeln können – gute wie schlechte. Das gehört zur Entwicklung dazu. Wichtig ist, dass sie Vertrauen bekommen und den Rückhalt spüren, auch wenn sie mal einen Fehler machen. Dafür ist die Mannschaft da, so etwas zu kompensieren. Zudem haben gegen Leipzig vor allem die alt eingesessenen Spieler Fehler gemacht. Emir Spahic ist ein ums andrere Mal dem überragenden Forsberg hinterhergelaufen. Ein Waldschmidt oder Halilovic bekommt mit Sicherheit auch lieber mal einen Rüffel, als das Geschehen von der Bank aus ansehen zu müssen.

Heute spielt die mentale Verfassung eines Sportlers eine so bedeutende Rolle, dass hier wohl auch der Schlüssel zum erfolg liegt. Wenn man bewusst „die Euphorie bremst“, nimmt man viel Energie aus der Entwicklung. Letztlich stärkt das die Motivation. Momentan scheinen die Spieler etwas ratlos, wenn etwas nicht perfekt läuft. Anstatt sich nach einem Gegentor aufzubäumen, fällt das Team in sich zusammen. Ist die Ursache im mentalen oder im konditionellen Bereich zu suchen? Nach acht Wochen Vorbereitung ist schwer vorstellbar, dass die Defizite körperlicher Natur sind.

Niederlagen und Fehler können passieren. Aber es muss eine Strategie zu sehen sein. Wenn vor der Saison verkündet wird, dass man mit jungen Spielern mit viel Potenzial arbeiten möchte, dann muss man das auch durchziehen. Junge Spieler kann man nicht auf der Bank „parken“, bis sie sich entwickelt haben. Natürlich muss man in der Bundesliga auch nach hinten arbeiten. Aber die Vereinsführung muss sich doch etwas dabei gedacht haben, solche Spieler zu holen. Man fragt sich einfach, welche Strategie hinter dem allen steckt.

Wie man junge Spieler aufbaut, zeigen „Dosenclubs“ wie Leipzig, Hoffenheim oder Überraschungsteams wie Mainz. Natürlich sind dort die Erwartungshaltung und die Medienwelt eine andere. Das muss jetzt auch nach seinem Wechsel zum FC Schalke der langjährige Sportchef des FSV Christian Heidel feststellen. Nico Kovac hat die Probleme von Traditionsvereinen damit beschrieben, dass bei Traditionsclubs zu viele mitreden wollen. Vereine mit schlanken Strukturen hätten es einfacher.

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