„End of Summer“ – vielleicht der Beginn eines neuen Chinafilm-Frühlings
Mit dem Jugenddrama „End of Summer“ ging am letzten Wochenende im Metropolis-Kino die Filmreihe „China Time“ zu Ende. Die Werkschau mit zeitgenössischen Autorenfilmen aus dem Reich der Mitte wird mit Unterstützung der Hamburger Kulturbehörde alle zwei Jahre veranstaltet. Zu den Kooperationspartnern der Reihe gehört auch die Pekinger Firma 1905 Network Company, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, neue chinesische Filme im Westen populär zu machen. Kino ist dabei nur eine der geplanten Verbreitungsmöglichkeiten. Erleben wir demnächst auf allen Plattformen eine neue Filmwelle aus Ostasien?
Zurück ins Jahr 1998
Die Zuschauer im etwa zur Hälfte gefüllten Metropolis-Kino haben ihr Kommen nicht bereut. Was sie in „End of Summer“ zu sehen bekamen, war die berührende Geschichte des Jungen Gu Xiaoyang, der in einer idyllischen Kleinstadt des Jahres 1998 seine Fußballleidenschaft auszuleben versucht. Sein Traum ist es, nach den Sommerferien das Auswahlverfahren für die Schulmannschaft zu bestehen, und dafür will er trainieren. Tatkräftig unterstützt wird er von seinem Nachbarn Herrn Zheng, ein Rentner und Fußballfanatiker, der die gleichzeitig in Frankreich stattfindende Weltmeisterschaft dazu nutzt, die Sportbegeisterung des Jungen weiter anzustacheln. Sehr zum Unwillen von Xiaoyangs Vater Herrn Gu, der als Lehrer an der Schule seines Sohnes für die Lehrpläne verantwortlich ist. Er hält Fußball für Zeitverschwendung und will, dass sich Xiaoyang aufs Lernen konzentriert. Allerdings gerät der strenge Herr Vater selbst ein wenig auf Abwege, als er sich in die neue Englischlehrerin verliebt. Der Flirt mit der jungen Kollegin ruft Xiaoyangs Mutter auf den Plan, und die aufkeimende Ehekrise ist für den Jungen ein weiterer Anlass, sich vom Vater zu distanzieren.
Abnabelung und Übergangsszenario
Fußball und Jugend sind im internationalen Kino ein beliebtes und immer mal wieder verwendetes Motiv, um vom Erwachsenwerden und von der Abnabelung junger Menschen zu erzählen, die ins Teenageralter kommen. Ein Genre, das Francois Truffaut 1959 mit seinem Klassiker „Sie küssten und sie schlugen ihn“ begründete (damals noch ohne Fußball), und das heute neudeutsch „Coming of Age“ heißt. „End of Summer“ punktet darüber hinaus mit malerischen Bildern aus der verschlafenen Provinzstadt, die sich genau wie der Junge Xiaoyang im Übergang befindet. Die Idylle der alten Häuser droht zu verschwinden, der Fortschritt fordert seinen Tribut.
Chinesisches Kino für den Westen
Die Drehbuchautorin Huang Maya ist eigens zur Vorführung nach Hamburg angereist und erzählte nach dem Film, dass das Script auf Anregung des Regisseurs Quan Zhou zustande kam und auch in dessen Heimatstadt Shaoxing gedreht wurde – allerdings erkennbar auf den Geschmack des westlichen Arthouse-Kinos zugeschnitten. Die Drehbuchautorin, die aus Taiwan stammt, und der Regisseur haben ihr Handwerk in den USA erlernt, haben europäische Autorenfilme ebenso wie das US-Independentkino genau studiert und wissen, mit welchen Themen und Topoi westliches Arthouse-Publikum angesprochen werden will. Der ebenfalls eingeflogene Cai Ling, stellvertretender Geschäftsführer der Vertriebsfirma 1905, bekundete dann auch offen, dass er lernen wolle, wie das Publikum in Deutschland auf chinesische Filme reagiert. Ziel ist, chinesische Filme in Europa, speziell Deutschland, weiter als bisher bekannt zu machen über den Spielort Kino hinaus auch auf DVD/Blu-ray und auf Plattformen wie Youtube, Netflix oder Amazon. Sogar eine eigene Plattform ist angedacht, die neben chinesischen Produktionen auch deutsche Filme und Serien anbieten könnte. Filmfreunde werden also nicht mehr unbedingt zwei Jahre bis zur nächsten China Time warten müssen, um sich über das aktuelle künstlerische Filmschaffen Chinas zu informieren.
Wer jedoch nicht auf Online-Angebote warten will, sei auf einen Wiederholungstermin von „End of Summer“ hingewiesen: Der Film ist im Metropolis noch einmal am Montag, 10. September um 21.15 Uhr zu sehen.
Bild : ©Kommunales Kino Metropolis