Merlin „zaubert“ HSV in die Bundesliga

Hamburger SV nach Sieg gegen Ulm wieder erstklassig
Es schienen schon überirdische Kräfte nötig, den Traditionsverein wieder in die Bundesliga zu führen. Nach Christian Titz, Hannes Wolf, Daniel Thioune, Dieter Hecking, Tim Walter und Steffen Baumgart war es nun ausgerechnet ein 34-jähriger Trainer-Neuling, der die „Untrainierbaren“ nach sieben Jahren in die Erstklassigkeit geführt hat. Merlin Polzin hat zu ruhmreicheren HSV-Zeiten noch selber in der Kurve gestanden und der schwarz-weiß-blauen Raute die Daumen gedrückt. Ein 6:1 Sieg des Hamburger SV besiegelte er den Aufstieg in die Bundesliga und den tragischen Abstieg des SSV Ulm in die dritte Liga.
HSV schafft die Wende
Dabei hatte alles für die leidgeprüfte Fangemeinde der Hamburger wie gewohnt begonnen. In der 7. Minute erzielte Gaal das 0:1 für die „Spatzen“, die sich mit einem Sieg die Chance auf den Klassenerhalt sichern konnten. Aber die Freude währte nur drei Minuten, bis der wieder rechtzeitig in Top-Form gekommene Kapitän Ludovit Reis einen Pass von Miro Muheim mit einem Schuss ins Eck verwandelt. Aber die Gäste aus Ulm wehren sich und sind 35 Minuten lang die gefährlichere Mannschaft. Als Daniel Heuer-Fernandez in der 38. Minute einen Elfmeter hält, scheint den Gästen der Stecker gezogen. Emir Sahiti spielt akrobatisch einen Pass in den Lauf von Ransford Yeboah Königsdörffer, der den Ball über den herauslaufenden Torhüter zur 2:1 Führung ins Tor hebt. Eierwaffeln und Sahne sind gesichert. Jetzt zeigen sich die Ulmer sichtlich geschockt. „Lebensversicherung“ Davie Selke erzielt noch vor der Pause das 3:1. Als Ulm nach der Pause ein Eigentor erzielt, scheint die Messe gelesen. Häme ist an dieser Stelle unangebracht. Die Hamburger haben selbst solche Situationen zu Genüge erlebt und im Lauf der vergangenen Jahre Demit gelernt. Der Hamburger SV spielt seine Qualität nun aus und erzielt mit Königsdörffer und Daniel Elfadli zwei weitere Treffer. 76 erzielte Treffer zeigen die Offensivstärke des HSV. In der kommenden Woche jann der Hamburger SV mit einem Sieg bei Greuther Fürth noch die Zweitliga-Meisterschaft klar machen.
Kontinuität, Demut und Zusammenhalt
Aber was hat nach sieben Jahren zum lang ersehnten Aufstieg geführt? „Harte Arbeit“ lautet die Analyse des Trainerteams und der Mannschaft einhellig. Die gebürtigen Hamburger Merlin Polzin und Loic Fave sind seit Jahren als Teil des Trainerteams des HSV und haben alle Aufs und Abs der vergangenen Jahre miterlebt. Spieler wie Robert Glatzel, Ludovit Reis und Miro Muheim haben allen Verlockungen widerstanden und sind den schmerzvollen Weg mitgegangen.
Schmerzvolle Reise zur Rückkehr in die Bundesliga
Vor zwei Jahren war der Hamburger SV bereits sieben Minuten in der Bundesliga, bevor Heidenheim in der „Verlängerung“ mit einem Elfmeter den Ausgleich und durch Tim Kleindienst den Siegtreffer erzielt. Die nach Sandhausen mitgereisten Fans hatten bereits den Platz gestürmt. Der HSV scheiterte wie bereits ein Jahr zuvor gegen Berlin in der Relegation am VfB Stuttgart. Im vergangenen Jahr reichte es wie schon dreimal zuvor nur zu Platz vier. In den ersten Jahren der Zweitliga-Zugehörigkeit hatten die Hamburger den Aufstieg regelmäßig in der Rückrunde verspielt. Nach einem gelungenen Start wurden im Frühjahr die Beine schwer. Der Rucksack, den die junge Mannschaft aufhatte, schien zu schwer. Die Hoffnungen der gesamten Stadt schienen Kopf und Beine der Mannschaft regelmäßig in der entscheidenden Phase zu lähmen. Unvergessen die 1:5 Niederlage des HSV gegen den SV Sandhausen als den Norddeutschen zum Aufstieg nur noch ein Punkt fehlte. Zu allem Überfluss setzt der ehemalige Hamburger „Chancentod“ Dennis Diekmeier einen Schuss in den Winkel. Aus „unabsteigbar“ wird unaufsteigbar und aus dem ehemaligen Bundesliga-Dino ein Zweitliga-Dino.
Wie konnte die on weiten Teilen zusammengebliebene Mannschaft das wegstecken? „Es war eine Reise“, sagt der sichtlich mitgenommene Robert Glatzel. Das beschreibt am ehesten den Weg, dem der HSV die letzten Jahre bestritten hat. Nach der anfänglichen „Wir gehören hier nicht her“ Mentalität setzt Jonas Boldt auf Entwicklung, finanzielle Konsolidierung und Kontinuität. Tim Walter etabliert einen auf Spektakel angelegten Spielstil, der nach Corona wieder die Fans ins Stadion lockt. Aber die Abwehr…,Steffen Baumgart übernimmt im Frühjahr 2024, kann aber die Stärken des Team nicht gezielt nutzen. Sein System schein nicht auf den jahrelang geübten „Walter-Ball“ zu passen.
Fachliche Kompetenz und Menschenführung als Schlüssel zum Erfolg
Im Herbst 2024 übernimmt der langjährige Co-Trainer Merlin Polzin. Der scheint den Nerv der Mannschaft zu treffen und führt das Team von Platz 8 auf die Aufstiegsränge. Auch der Frühjahrsblues scheint die Mannschaft zunächst nicht zu befallen. Erst als Miro Muheim verletzungsbedingt ausfällt, scheinen die „alten Geister“ wieder geweckt. Aber mit einem 4:0 in Darmstadt zieht sich der Hamburger SV selber wieder aus dem Schlamassel. Die Überzeugung ist wieder da.
Was das Trainerteam um Merlin Polzin, Loic Fave, Richard Krohn und Towart-Trainer Sven Höh und auszuzeichnen scheint, ist das Vereinen der fachlichen mit der menschlichen Komponente und die Kunst, aus Fehlern zu lernen. Nachdem der neue Sportvorstand Stefan Kuntz Positionen doppelt besetzt hat, besteht die Gefahr, dass die Mannschaft auseinanderfällt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Jeder ordnet sich dem gemeinsamen Ziel unter. Wenn ein Spieler ausfällt, ist jemand da, der die Lücke schließt. Jeder scheint dem Anderen den Erfolg zu gönnen. Der Zusammenhalt wird der Schlüssel zum Erfolg.
Traditionsmannschaften in der Zwickmühle
In der 2. und 3. Bundesliga gibt es viele Traditionsmannschaften mit großen Stadien und einer leidenschaftlichen und leidensfähigen Fangemeinde. Wenn aber Anspruch und Wirklichkeit sehr weit auseinanderklaffen, besteht die Gefahr, immer tiefer in den Keller zu rutschen. Für die vermeintlich „Kleinen“ ist ein Spiel in diesen Stadien immer ein Highlight. So wird jedes Liga-Spiel zum Pokalfight. Die Situation in jeder Partie neu anzunehmen ist Grundvoraussetzung, um wieder nach oben zu kommen. Auch der Hamburger SV musste diese Mechanismen kennenlernen und hat sich nun den langersehnten Aufstieg redlich verdient Herzlichen Glückwunsch, moin und viel Erfolg un der Bundesliga..
Fotos: © Beate Eckert-Kraft – www.imajix.de